Im Dezember 2014 führte die Rügenwalder Mühle ihre ersten vegetarischen Produkte im Handel ein. Gründe gab es dafür viele, oder wie Godo Röben sagt: „Es war eigentlich höchste Zeit.“ Nur einfach war es nicht. Das traditionsreiche Unternehmen, das fast 200 Jahre alt ist und 1903 seine „Rügenwalder Teewurst“ einführte, musste die Produktion überdenken, Prozesse umstellen, sich neue Zulieferer suchen und mit vorhandenen über Qualitäten sprechen, neue Produkte entwickeln, Supermärkte ins Boot holen, über innovative Werbung nachdenken und auch darüber, mit welchen Vorurteilen es konfrontiert werden würde.
So hieß es zum Beispiel, die Rügenwalder Mühle hätte gar kein ernsthaftes Interesse an Veggie-Produkten, würde vieles nur halbherzig angehen. „Für uns sind die vegetarischen Waren kein Me-too-Produkt zum Abhaken“, sagt Röben und breitet stolz seine bisherige Palette von Veggie-Spezialitäten aus. “Aber alles auf einmal kann man eben nicht ändern, es geht nur Schritt für Schritt.“ Den Vorwurf, man wolle auf dem boomenden Veggie-Markt nur eine schnelle Mark machen, kann er deswegen nicht mehr hören. „Umwelt und Klimawandel, Tierwohl-Probleme und Lebensmittelskandale – was wären wir für Unternehmer, Menschen und natürlich auch Konsumenten, wenn diese Themen an uns spurlos vorbei gegangen wären?“ Sie sind es sichtlich nicht, und wenn man mit Röben lang genug gesprochen hat, dann glaubt man ihm das auch.
Genau zuhören – und dann bessere Produkte machen

Doch weder stellt ein Mann allein ein Unternehmen auf den Kopf noch ein Unternehmen ein Sortiment wie das der Rügenwalder Mühle von heute auf morgen um. Es ist ein Lernprozess, bei dem man auch Rückschläge einstecken muss. „Für unsere ersten Produkte haben wir auch Kritik geerntet – zugleich wurden sie uns von den Verbrauchern förmlich aus den Händen gerissen“, erzählt Godo Röben. „Wir hatten also das Richtige getan – hätten es aber wohl noch besser machen können.“ Die Produktentwickler der Rügenwalder Mühle hören deshalb genau hin – und verändern ihre Produkte. Wo sie zum Beispiel anfangs Eier aus Bodenhaltung verwendet haben, sind es jetzt solche aus Freilandhaltung. Weil anfangs ein Zuviel an Ei kritisiert wurde, gibt es jetzt Veggie-Produkte mit deutlich weniger, teils ganz ohne.
Die Rügenwalder Mühle will sich nicht nur ein bisschen verändern, sondern nachhaltig. „Wir kooperieren ja mit dem VEBU (Vegetarierbund Deutschland). Die mochten die Produkte der ‚alten‘ Rügenwalder Mühle nicht. Aber sie sehen die Möglichkeiten einer wirklichen Transformation genau wie wir, und sind daher noch immer im Boot.“ Deswegen hat die Rügenwalder Mühle seit Herbst die ersten veganen Produkte im Programm. Natürlich auch, weil das ein Markt ist, räumt Röben ein. Aber eben auch, weil die Verantwortlichen finden, dass das eine wichtige und richtige Veränderung ist. „Deutschlands Essgewohnheiten ändern sich“, so Röben. „Das ist für den Konsumenten oft eine ebenso einschneidende Veränderung wie für uns als Hersteller. Veganer müssen sich ihrer Umgebung oft erklären, das ist bei uns mit Lieferanten und Supermärkten nicht anders.“

Dennoch will das Unternehmen noch besser, noch vegetarischer, noch nachhaltiger werden. Und das bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. So hatte die Rügenwalder Mühle bei der Einführung der ersten Sojaprodukte natürlich, wie alle, zunächst auch Soja aus Südamerika eingekauft. „Durch die Kritik wurde uns bewusst, welche Probleme mit Soja aus Südamerika einhergehen, und wir haben auf Soja aus anderen Regionen umgestellt.“ Inzwischen ist die Rügenwalder Mühle dem Verein Donau Soja beigetreten, die eine europäische Sojaproduktion in der Donauregion etablieren will. Das Unternehmen könnte dank dieses Engagements in Zukunft sogar möglicherweise ganz auf europäisches Soja umstellen.
Einige kritisieren die Rügenwalder Mühle für ihre neuen Produkte. Andere glauben einfach nicht, dass der ehemalige Wurst- und Schinkenhersteller sich tatsächlich verändern will, verändern kann. „Das ist okay“, schmunzelt Röben. „Auch hier im Unternehmen hat das nicht jeder glauben wollen. Aber aus Kritik lernen wir, und Zweifler werden wir nach und nach überzeugen: mit immer mehr spannenden vegetarischen und veganen Produkten.“
Perfekt und am Ziel ist der deutsche Familienbetrieb also noch lange nicht. Aber er kann zweifellos für sich in Anspruch nehmen, auf dem richtigen Weg zu sein.